Kanufahren auf Jugendfreizeiten ist auch gefährlich
Drama am Fjord – ein Erlebnisbericht
Samstagnachmittag 17 Uhr, Sommerhaus am Fjord. Die Sonne wird noch lange nicht untergehen. Ein wunderbarer Sommertag. Eine friedliche Idylle.
Die Reflektion der Sonnenstrahlen glitzert auf dem blauen Wasser. Eine Sommerbrise weht von den umgebenden Bergen herunter. Hier in Norwegen von Fallwinden zu sprechen ist vielleicht übertrieben. Aber es wird gegen Abend schon häufig windig und kühl. Die Kerzen auf dem Balkon müssen dringend von Glaszylindern geschützt werden.
Der Wind steht so, dass er fröhlichen Lärm über das Wasser trägt. Drüben an der unteren Spitze verbringen jeden Sommer deutsche Jugendgruppen ihre Ferien. Gesang und Gitarre, feuriges Hurra bei Wettkämpfen, Schiedsrichterpfeife vom Fußball.
Wie in einem schlechten Film!
An diesem späten Nachmittag hört sich plötzlich der Lärm ganz anders an. Hektische und panische Rufe schallen über das Wasser. Es ist schwierig, gegen das Glitzern etwas zu erkennen. Und doch: auf dem Wasser, beinahe mitten auf dem Fjord, vielleicht 1.000 m vom Ufer entfernt, sind einige Kanus und Kanuten zu erkennen. Silberne Kanus, offensichtlich aus Edelstahl. Eigentlich gute Boote. Durch den Fernstecher, der immer im Ferienhaus hängt, ist klar zu sehen: Da geht etwas Schreckliches vor. 2 der Kanus liegen kopfüber, einige Köpfe von Schwimmern ragen aus dem Wasser. Wie in einem schlechten Film ringen die Arme um Hilfe, krallen sich an den anderen Booten fest und bringen diese ebenfalls in Gefahr.
Schnell ist das kleine Motorboot klar. Es sind nur wenige Minuten bis zum Unfallort. Die beiden Retter können die 4 jungen Menschen aus dem Wasser ziehen. Es ist schwer, denn der Wind hält das Wasser ordentlich in Bewegung. Was am Ufer friedlich aussah, ist hier, weit weg vom Land, nur von gut trainierten Wassersport Profis zu bewältigen. Die jungen Leute sind starr vor kälte und reglos vor Erschrecken.
Nichts für Greenhorns!
Wenn man ein Leben am Fjord verbringt, weiß man, wie gefährlich dieses Gewässer ist. Tiefe Strömungen machen es beinahe unmöglich, Kurs zu halten. Die Wellen sind für die kleinen Kanus beängstigend hoch. Und ist man erst einmal zu weit raus, schlägt die Falle zu.
Man darf denken: welch ein Zufall, dass hier aufmerksame Anlieger zur Stelle sind. Zwar stehen einige Ferienhäuser rund um den Fjord doch sind diese nicht immer belegt. Und eine „Baywatch“ gibt es natürlich überhaupt nicht. Völlig unverantwortbar, dass die jungen Menschen nicht einmal Schwimmwesten tragen. Völlig unverantwortbar, dass die Aufsicht so versagt hat.
Kanufahren und Aufsichtspflicht – Regeln einhalten!
Kanufahren unterliegt in der Aufsichtspflicht den Regeln der „gefahrengeneigten Tätigkeiten“ wie auch die Aufsicht beim Schwimmen, Klettern oder Wandern in gefährlichem Gelände. Rechtlich ist solch eine Missachtung der Aufsichtspflicht eine grobe Fahrlässigkeit und meint, dass der Betreuende seine Verantwortung im Hohen Maße missachtet. Wer sich hier in seiner Aufgabe der Leitung einer Jugendgruppe sicher sein und bleiben will, muss dringend die Regeln beachten:
- Eine ausführliche Schulung vorab ist Grundvoraussetzung. Neben den folgenden Basics gibt es noch viele andere Situationen, auf die man theoretisch vorbereitet sein muss. Auch das Internet hält hier viel Wissenswertes bereit.
- Nur ausreichend vorgebildete Gruppenleiten*innen dürfen die Aktivität anleiten. Eine gute erste Hilfe Ausbildung ist selbstverständlich notwendig.
- Ausreichende Aufsichtspersonen müssen sich in der Kanugruppe aufhalten – nicht nur an Land stehen.
- Ausreichend Rettungsschimmer*innen müssen dabei sein.
- Alle müssen eine Schwimmweste tragen.
- Beobachtet das Wetter und informiert Euch über die Aussichten. Berücksichtigt das Wetter bei den Planungen.
- Offene Gewässer eignen sich nicht und niemals für Jugendgruppen. Es ist lebensgefährlich, sie zu überqueren oder weit entfernt vom Ufer zu fahren. Für weitere Kanutouren eignen sich in der Regel nur die Touren auf Flüssen.
- Nicht weiter vom Ufer entfernen, wie man problemlos zurückschwimmen kann.
- Orientierung am Gewässer üben und erklären. Setzt eindeutige Landmarken und Ziele für die Gruppe.
- Die Zeiten der Aktivität begrenzen. „Paddeln“ ist anstrengender, als man vermutet.
- Wertsachen wie Geldbörse, Brille, Uhren in einem wasserdichten Behälter aufbewahren – Handys am besten in einer Wasserdichten Hülle bereithalten.
Die oben erzählte dramatische Geschichte ist übrigens in diesem Sommer genau so vor sich gegangen. Zum Glück sind alle Teilnehmer heute wieder gesund zuhaus im Alltag angelangt.
Der Hausbesitzer unserer Partneranlage überlegt allerdings ernsthaft, ob er die Kanus weiterhin an die deutschen Gruppen ausleihen kann. Denn ein ernster Unfall ist neben der persönlichen Tragik auch eine sehr schlechte Reputation für ein Freizeitheim.
Wir hoffen, dass in Zukunft wieder alle Gruppen verantwortlich mit dieser schönen Freizeitaktivität umgehen.